Ich betrachtete die Hacksteaks aus dem Ofen, an den Rändern leicht angebrannt, und traute meinen Ohren nicht.
Du bist abgelaufen. Ich will die Scheidung, sagte mein Mann und schob seinen Teller weg. Es klang so banal, als würde er nur eine weitere Benzinpreiserhöhung ankündigen. Ich erstarrte, die Holzkelle noch in der Hand. Der Kaktus auf der Fensterbank zeigte traurig mit einer krummen Dornenspitze nach oben, als wollte er bestätigen: Für dich ist es vorbei. Ich bin siebenundvierzig, und mit Stefan waren wir zwanzig Jahre zusammen. Unser Sohn, Lukas, studiert schon lange in einer anderen Stadt, und der Kredit für unsere Zweizimmerwohnung ist fast abbezahlt. Und dann, mit einem Mal: abgelaufen.
Alles um mich herum wirkte wie ein Schwarz-Weiß-Bild aus einer alten Fernsehsendung. Ich starrte auf die verbrannten Steaks und fragte mich: Kann ich die verkohlten Stellen noch retten, oder ist es schon zu spät? Seltsam, wie sich das Gehirn an Kleinigkeiten festhält, wenn etwas wirklich Erschreckendes passiert.
**Routine, die Beziehungen zerfrisst**
Seit dem Frühling herrschte eine angespannte Stille in unserem Haus. Stefan kam spät von der Arbeit, und am Wochenende vergrub er sich in Berichten, die sein neuer Chef ihm aufgetragen hatte. Ich hingegen verlor mich in meinem Bürojob: Bilanzen erstellen, stapelweise Dokumente sortieren, abends unsere Katze Mieze streicheln. Gespräche gab es kaum. Nur ein kurzes Hol bitte Milch, Lade die Karte auf, Wer macht heute das Geschirr? Eine klebrige Müdigkeit hatte eine hohe Mauer zwischen uns errichtet.
Lukas, unser neunzehnjähriger Sohn, studiert in einer anderen Stadt, lebt im Studentenwohnheim, und wir sehen ihn selten. Ab und zu ruft er an und fragt nach Geld. Im Sommer war er zu Besuch, und wir hatten überlegt, ein Grillfest auf dem Land zu veranstalten, doch daraus wurde nichts: Entweder war das Wetter schlecht, oder Stefan war zu müde. Ich hatte schon das Gefühl, wir waren mehr Nachbarn als Eheleute.
Und dann, gestern, das endgültige Urteil: Du bist abgelaufen.
**Katalysator und wachsender Konflikt**
Die Scheidung war schon länger eine drohende Schatten. Vor ein paar Wochen war das Küchenspülbecken verstopft, und ich hatte einen Klempner gerufen. Plötzlich sagte Stefan: Das ist Männersache, halt dich da raus. Warum nur? Er selbst machte abends nie etwas dergleichen. Doch er warf mir vor, nicht gewartet zu haben als ob es ihm wichtig war, mir meine Unfähigkeit vorzuhalten.
Später dann ein seltsames Ereignis: Unsere Nachbarin, Tante Helga, hatte uns freundlich im Treppenhaus gefragt: Stefan, Nadine, feiert ihr bald euren Hochzeitstag? Mein Mann und ich hatten uns verwirrt angesehen der Jahrestag lag schon einen Monat zurück. Wir hatten ihn beide vergessen. Die Nachbarin hatte uns mitleidig angesehen, als würde sie unser Unglück schon ahnen.
Doch mit so viel Offenheit hatte ich nicht gerechnet:
Eine Scheidung? Ernsthaft?
Ernsthaft, sagte mein Mann, ohne mich anzusehen. Ich bin müde. Das zieht sich schon zu lange.
**Versuch, zu verstehen und sich anzupassen**
Ich verbrachte die Nacht auf unserem alten Sofa, wo ich sonst meine Serien schaute. Mieze spürte meine Stimmung und schnurrte leise an meinen Füßen. Stefan hörte ich kaum er hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Am Morgen stellte ich automatisch das Kaffeepulver ein und betrachtete den schief stehenden Topf mit dem Kaktus. Der Arme wird es auch nicht schaffen, dachte ich. Er steht schon so lange in der Ecke, ohne zu blühen. Einmal hat er es getan, aber nur ein einziges Mal.
Ich wollte ein offenes Gespräch mit meinem Mann führen, aber mir fehlte die Kraft. Ich ging zur Arbeit, versuchte, den Schein zu wahren. Im Büro: Stapel von Dokumenten, graue Akten, Kollegen, die in der Mittagspause Sudoku spielten Und ich konnte mich nicht konzentrieren. Ein Gedanke hämmerte in meinem Kopf: Bin ich wie eine abgelaufene Konserve?
Erst später rief ich meinen Sohn an:
Lukas, also Papa will sich scheiden lassen.
Nach einer Pause antwortete er:
Mama, ich habe schon länger gespürt, dass etwas nicht stimmt. Wenn es wirklich zu viel wird, stehe ich dir bei, sagte er ruhig, fast bedauernd. Lass dich nicht unterkriegen, okay?
Ich hörte seine Sorge. Einerseits ist er erwachsen, andererseits hat er nur eine Familie, und plötzlich bricht alles auseinander.
**Der Anruf meiner Schwiegermutter**
Meine Schwiegermutter rief mich am nächsten Tag an. Normalerweise erkundigt sie sich nach den Tauben auf unserem Balkon, doch diesmal kam sie direkt zur Sache:
Eine Scheidung? Stefan hat mir etwas davon erzählt. Wie kann man in diesem Alter seine Familie einfach aufgeben?!
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, und murmelte:
Ich bin nicht diejenige, die das will.
Dann hast du nicht aufgepasst, hast dich nicht genug um ihn gekümmert. Ihr seid keine Kinder mehr, Nadine. Unser kleiner Stefan ist bald achtundvierzig! Du hättest für seine Ruhe sorgen müssen, aber du warst zu sehr mit deiner Arbeit beschäftigt.
Ich hätte fast ausgeflippt: Also war ich schuld, nicht weiblich genug. Doch ich beherrschte mich: Was brachte es, mit ihr zu streiten? Sie lebt jetzt in einem Dorf, verbringt ihre Tage im Garten mit ihrer jüngeren Schwester und den Enkelkindern ihrer Nichte. Sie kennt unsere Beziehung nur aus seltenen Telefonaten. Und doch ist sie überzeugt, dass die Schwiegertochter die Schuld trägt.
**Gespräch am Küchentisch**
Am Samstag redeten wir endlich wie Erwachsene. Er kam unrasiert und mürrisch aus dem Bad und setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. An der Wand tickte die alte Kuckucksuhr meiner Oma der Kuckuck war seit fünf Jahren kaputt, stumm. Symbolisch schien die Zeit auch in unserer Familie stehen geblieben zu sein.
Ich werde meine Meinung nicht ändern, sagte mein Mann leise und schob seine Teetasse weg. Ich bin müde, Nadine. Es geht nicht mehr um Gefühle. Diese Wohnung ist es nicht wert, uns zu binden. Du kannst hier weiterleben. Ich verlange keinen schnellen Verkauf. Aber ich möchte die Hälfte des Wertes. Ich suche mir etwas anderes, vielleicht erstmal zur Miete.
Ich betrachtete den abgeblätterten Tisch, die ausgebleichte Vinyl-Tischdecke und hörte diesen fast geschäftsmäßigen Monolog. Als würden zwei Geschäftspartner über eine Bilanz reden. Dabei liegen zwanzig Jahre hinter uns. Die Traurigkeit überwältigte mich, und ich kämpfte gegen die Tränen.
Ich verstehe, sagte ich und versuchte, meine Stimme nicht zu verraten. Also gut, wenn es die Scheidung sein soll, dann soll es so sein.
Wir schwiegen. Ich spürte eine seltsame Erleichterung, als hätte mir jemand einen schweren Rucksack abgenommen. Ja, es ist beängstigend, mit fast fünfzig allein dazustehen. Aber noch beängstigender ist es, in einer Beziehung zu leben, in der niemand den anderen braucht.
**Rückkehr zu meiner Mutter**
Am nächsten Tag fuhr ich zu meiner Mutter. Sie lebt in einem Altbau mit quietschenden Aufzügen, was mich immer nervös macht. Sie öffnete die Tür, sah meine geröteten Augen, zog mich sofort in die Kü